Landlust - ein Magazinerfolg mit Biedermeierstrategie

In Zeiten des digitalen Wandels und der allgegenwärtigen iPads wurden die letzten Jubelmeldungen aus der Magazinwelt höchstens im digitalen Bereich gehört. Geschrieben wurde über neue Apps, crossmediale Content- und Vermarktungsstrategien und die Sinnkrise des gedruckten Wortes. Gedruckte Magazine, so scheint es, sind für keine Jubelmeldungen mehr gut. Und dann kommt ein im wahrsten Sinn biederes Printmagazin, das thematisch ebenso am Land angesiedelt ist wie technisch bzw. marketingmäßig und schreibt nie gesehene Auflagenrekorde. Das 2-monatlich vom Landwirtschaftsverlag in Münster herausgebrachte Magazin "Landlust - Die schönsten Seiten des Landes" verkauft von jeder Ausgabe bereits mehr als 700.000 Stück. Die Chefredakteurin Ute Frieling-Huchzermeyer gilt als Shootingstar in der grundsätzlich eher depressiv angehauchten Magazinszene. Das war dem Zeitmagazin in der letzten Ausgabe ein entsprechendes Portrait wert.

 

Der Erfolg von Landlust ist wahrscheinlich gerade dem Umstand gedankt, dass es so etwas wie eine medientechnische Gegenbewegung zur Online- und Crossmedia-Szene ist. Abseits von der oft bereits als hysterisch zu wertenden Hektik der iPad- und Facebook-Kultur bringt Landlust auf rund 200 gedruckten Hochglanzseiten (Grammatur gefühlte 70g/m2) bildlich-textliche Einblicke in ein idealisiertes und als Stillleben aufbereitetes Landleben. Eine wunderschön bis kitschig jedenfalls aber ruhig daher kommende Bildersprache korrespondiert mit ebenso einfach gestrickten Themen. Natur-, Tier- und Kulinarikmotive ergänzen Geschichten aus Wohn- und (Land)Lebensbereich. Hier wird dem Leser auf höchstem medienhandwerklichem Niveau eine heile Welt vermittelt und das ist offensichtlich nachgefragt. Dazu passt, dass die Chefredakteurin im Editorial denn auch über die Aufzucht der redaktionseigenen Stockenten schreibt.

 

Irgendwie fühlt man sich das Biedermeier erinnert. Anfang des 19. Jahrhunderts haben Maler wie Literaten vor Hintergrund der gesellschaftspolitischen Revolutionen und der damit verbundenen individuellen wie kollektiven Unsicherheit das idealisierte Landleben als Motiv entdeckt. Raus aus dem Chaos und zurück zur Natur und dem naturverbundenen Leben lautete die Devise. Ähnlich könnte man wohl die Ausrichtung der Landlust beschreiben und daher erinnern viele Fotos des Magazins an Gemälde des Biedermeiermalers Carl Spitzweg.

 

Auffällige Hinweise auf eine Online- und Facebook-Präsenz sucht man im Heft vergebens. Natürlich wird das Printmagazin von einer passenden Homepage begleitet aber eher weil es halt heute so sein muss und nicht, weil das Teil einer erkennbaren crossmedialen Strategie wäre. Vielleicht ist Landlust ein Symbol für ein neues Biedermeier. Eine Gegenbewegung zu den wirtschaftspolitischen Turbulenzen, der komplexen Digitalisierung und Virtualisierung unserer Tage. Wie im 19. Jahrhundert wird das idealisierte Ländliche als beruhigend zeitloses Phänomen hervorholt. Immer, wenn die politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Rahmenbedingungen sich in vermeintliches Chaos auflösten wurde das Ländliche "entdeckt".

 

Dann, so unsere Hypothese, hat Landlust nicht trotz der allgemeinen Virtualisierung, sondern genau deswegen Erfolg. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein ist letztlich noch immer der Schlüssel zum Erfolg. Aber das bedeutet weder, dass die alten Zeiten wieder kommen noch, dass eine "Biedermeier Strategie" ein allgemeines Erfolgsrezept für die Medienwelt ist. 

Posted via email from Notizen aus der MedienFabrik

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