Bücher: Selbstverlag verdrängt zunehmend die Verleger

Seit Einführung des Webs Mitte der 1990er Jahre haben wir erlebt, wie dieses neue Medium mit der begleitenden Technologie die einzelnen Branchen verändert hat. In einem als Disintermediation bezeichnetem Prozess werden durch die Online-Möglichkeiten viele Vermittler und Dienstleister (Intermediäre) innerhalb einer Wertschöpfungskette ausgeschalten. Online Banking hat Retailbanking und Anlagegeschäft verändert. Flugtickets und Reisen werden von den Fluglinien und Reiseveranstaltern zunehmend direkt an den Kunden verkauft - ohne vermittelndes Reisebüro. eBay hat aus vielen Privatpersonen kleine Gewerbetreibende gemacht und das kleine Handelsgewerbe nachhaltig verändert. Es gibt noch viele Beispiele für die disintermediative Wirkung des Webs.
 
Im Buchbereich hat Amazon neue Maßstäbe gesetzt und vor 15 Jahren eine Disintermediation eingeleitet. Mit dem Aufkommen des eBooks in den letzten Jahren hat Amazon erneut Maßstäbe gesetzt. Mit der Digital Text Platform ist Amazon im Bereich der eBooks auch für die Autoren im Selbstverlag zugänglich. Viele professionelle Autoren betreiben eigene Blogs und sind daher auch Profis im Bereich elektronischer Publikation. Zunehmend nutzen daher in den USA renommierte Autoren die Möglichkeiten von Amazon & Co für den Selbstverlag. Mit ein Grund warum die eBooks boomen: 2009 ist der tradtionelle Buchverkauf über den Handel um 1,8% auf rund US-$ 23,9 Milliarden zurückgegangen. Der eBook-Verkauf verdreifachte sich hingegen von einer geringen Basis auf rund US-$ 313 Millionen (Daten von Association of Americann Publishers). Bereits für das nächste Jahr 2012 wird erwartet, dass der eBook-Umsatz 20-25% des gesamten Buchmarktes ausmachen wird.
 
Für viele Autoren ist die Entscheidung zum Selbstverlag eine rein ökonomische. Sie kassieren bei zB bei Amazon eine Provision von 70% des Verkaufspreises von eBooks verglichen mit 10-20% Provision von Verlagen im Printbereich. Hinzu kommt, dass viele Verleger mit den heutigen Gegebenheiten technisch-organisatorisch wie auch hinsichtlich Marketing ohnehin nicht mithalten und damit den Autor nicht umfassend unterstützen können. Heute MUSS ein Buch in der Blogosphäre ebenso besprochen und rezensiert werden wie in der übrigen Social Media Welt von Facebook, Twitter & Co. Das verlangt von den Verlagen einen engen Kontakt in diese "neue" Welt, die weltweit bereits eine Milliarde Leute umfasst. Alleine Facebook hat bereits weit mehr als 400 Millionen Mitglieder. Meist kommen die neuen Autoren ohnehin aus der Blogosphäre und haben dort ihr Netzwerk aufgebaut. Wer hier als Verlag nicht mithalten kann bringt dem Autor bei der Vermarktung keinen Vorteil und rechtfertigt damit keine Provision.
 
Vor allem bei der Verwertung älterer Titel greifen Autoren gerne auf eBooks und Selbstverlag zurück. Durchgängig berichten laut Wall Street Journal viele Autoren, dass sich damit ihre Einkommenssituation nachhaltig verbessert hat. Verlage geben zu, dass sie sich aus ökonomischen Gründen nicht mehr getraut hätten, diese ältere Titel neu aufzulegen. Amazon unterstützt mit dem Projekt Amazon Encore diesen Trend zum Selbstverlag indem Autoren die Unterstützung der breiten Amazon Rezensentengemeinde angeboten wird. 
 
Nach Amazon haben in den letzten Wochen auch Apple und Adobe Digital Publishing Platforms (siehe unseren Bericht) angekündigt. Google wird wahrscheinlich noch in den nächsten Wochen folgen. Es ist für Autoren sehr einfach, über Digital Publishing Platforms zu verlegen. Wer als Autor auf hohe Qualität und damit auch professionelles Lektorat und Buchdesign Wert legt kann sich zuvor auf an eine der gerade entstehenden Plattformen wie Book Oven (wir haben berichtet) wenden.
 
Beobachtet man die Szene im deutschsprachigen Raum, so muss man festhalten, dass sich die eBooks auch hier rasant verbreiten. Pioniere wie Ciando haben den Markt aufbereitet, der mit dem iPad einen Boom erfährt. Wir können daher davon ausgehen, dass sich die Entwicklungen in den USA auch bei uns in kulturell angepasster Form ereignen werden. Wie in den USA werden wir auch bei uns die Entstehung neuer Publishing-Plattformen im Vorfeld der großen Plattformen sehen, die sich auf lokale Kultur und Gegebenheiten einstellen und Partner für Autoren und Verlage sein können. Also: viel Neues liegt vor uns.
 
Dieser Beitrag wurde von den australischen BookBee Bloggern inspiriert. Ein Dank für den tollen Artikel über den Trend zum Selbstverlag.

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