iPad Magazine: enttäuschte Erwartungshaltung?!

Die Medienindustrie schien sich zumindest in den Schlagzeilen in den letzten Wochen rund um den iPad zu drehen. Steve Jobs jüngstes Baby scheint die Erwartungshaltung der Medienindustrie an dieses neue "Wunderbuch" erfüllt zu haben. So gut wie alle großen Verlage und Medienhäuser haben ihr Apps auf das iPad gestellt und neue Leseformate geschaffen. Aber wie ist es mit den Lesern und web-verwöhnten Medienkonsumenten? Der Anspruch der eMagazine ist ja, die beiden Welten Print und Online symbiotisch zu einem hybriden Leseprodukt zu vereinen und damit eine neue Generation von Magazinen zu schaffen.
 
Die Symbiose scheint den eMagazinen der ersten Generation noch nicht gelungen zu sein. Zwischen all den Jubelmeldungen tauchen 3 Monate nach der Einführung die ersten kritischen Erfahrungsberichte und Analysen von Medienexperten auf (auch wir haben schon unseren Erfahrungsbericht abgeliefert). Das ist auch gut so, denn erst wenn sich der Hype rund um die Einführung des iPads verzogen hat, können wir unsere Aufmerksamkeit der Entwicklung einer Erfahrungskurve im Umgang mit dem neuen Medium TabletPC widmen. Und dafür braucht es eine kritische Diskussion.
 
Eine wirklich gute und lesenswerte Kritik der ersten eMagazine für den iPad hat dabei Pete Cashmore, einer der großen Namen im Bereich der neuen Medien und Gründer des Social Media Blogs Mashable, in seiner aktuellen CNN Kolumne geliefert. Auch amerikanische Risikokapitalgeber haben eine durchaus kritische Meinung zu den iPad-Magazinen, was letztendlich wieder für die Finanzierbarkeit neuer Ideen rund um den iPad und damit für neue Trends von hoher Relevanz ist. So äußert sich der einflußreiche Risikokapitalgeber Fred Wilson auf seinem Blog sehr kritisch über Apps im allgemeinen und einzelnen Medien Apps im speziellen. Hier die wichtigsten Kritikpunkte, die sich eigentlich alle um das Thema "statischer Content" drehen und darum, dass der Content noch immer in geschlossenen Formaten "eingesperrt".
 
Mangelnde Verlinkung:
Für Cashmore sind die neuen iPad-Magazine wie z.B. das WIRED noch immer vil zu statisch und trotz aller multimedialer Spielereien noch zu sehr der linearen Philosophie des Print verhaftet. Was das Web auszeichnet ist die Verlinkung einzelner Textelemente zu einem Informationsteppich in Form von Hypertexten. Die Verlinkung ist eine der technisch-strukturellen Grundlagen der Blogosphäre, die damit dynamische Wissens- und Informationsteppiche knüpft und eben genau so die klassichen Printmedien in ihrer Existenz bedroht. So wie dieser Artikel mit der CNN Kolumne von Cashmore verlinkt ist und damit dem Leser die Möglichkeit gibt, direkt darauf zu wechseln. In dieser Kolumne finden sich weitere gezählte 6 Links, die zu relevanten Artikeln anderer Blogger führen und dem Leser damit umfassend zu diesem Thema informieren können. Die einzelnen Blog-Artikel sind lediglich verlinkte Informations- und Wissensfragmente in einem dynamischen Informationsteppich der ständig weiter geknüpft wird. Erst mit dieser Verlinkung werden die Hypertext-Strukturen geschaffen, die das moderne, kontextuelle Lesen ermöglicht. Cashmore hält richtigerweise fest, dass die ersten iPad-Magazine kaum über externe Links in ihren Artikeln verfügen, damit keine Hypertexte und statisch sind. Wilson spricht auf seinem Blog in diesem Zusammenhang von monolithischen Seiten, was eigentlich im Web eine vernichtende Kritik ist. Mit der mangelnden Verlinkung in Zusammenhang steht der zweite große Kritikpunkt.
 
Fehlende Teilbarkeit (Sharing)
Die neuen sozialen Medien wie Blogs, Facebook oder Twitter ermöglich es uns, Informationen und Wissen sehr einfach mit seinen Freunden zu teilen (share) oder mit einem Social Bookmark zu versehen. Gefällt mir ein Blog-Artikel, dann brauche ich im Regelfall nur das Facebook- oder Twitter-Icon unterhalb oder nebem dem Artikel anklicken und schon werden meine Freunde mittels eines Facebook- oder Twitter-Updates darüber informiert wobei Titel des Artikels und der Link mitgeschickt werden. Dieses Sharing oder Social Bookmarking sind heute Standard im neuen (Social) Web und nachgeradezu das eigentliche Wesen der neuen Wissensgesellschaft. Darauf basiert die Viralität der Information bzw. die Agilität des Contents. Anders bei den iPad-Magazinen: dort verfügen die Artikel über keine Link-Adresse, die man versenden und den Artikel damit teilen könnte.
 
Fehlendes Profiling
Es fehlen durch die nicht vorhandenen Sharing- und Bookmarking-Mechanismen auch die Möglichkeiten, die Vorlieben des Lesers kennenzulernen. Moderne Web-Seiten verfügen heute über Profilierungstechnologien, die den angezeigten Inhalt an die Vorlieben und Interessen des Lesers anpassen. Diese Vorlieben können entweder explizit von mir bekannt gegeben oder durch implizit durch mein Verhalten ermittelt werden. Jedes mal, wenn ich einen Artikel teile (zB "like" auf Facebook) äußere ich implizt damit auch meine Vorlieben, die Seite kann mein Profil ergänzen und damit in Zukunft besser auf mich eingehen. Dieses Profiling ist letztlich auch eine wichtige Datengrundlage für die Werbeindustrie. Hier lassen die Verlage derzeit noch große Chancen und Möglichkeiten aus.
 
Fehlende Kommentarmöglichkeit
Ein wesentliches Kennzeichen der neuen Medien wie Blogs oder Facebook sind die Kommentarmöglichkeiten, die den Lesern die Möglichkeit zur (Inter)Aktivität geben. Diese Kommentarmöglichkeit wird vor allem in den USA gerne genutzt, wo Kommentare eines Lesers zu Kommentaren anderer Leser und damit zu Diskussionen rund um einen Artikel und damit zu einem viralen Effekt führen. Diese Kommentarmöglichkeit fehlt bei den eMagazinen der ersten Generation, was ebenfalls in einem statischen Dasein des Artikels bzw. in fehlender Dynamik resultiert.
  
Browser besser als Apps
Fred Wilson steht der der Apps-Philosophie von Apple sehr kritisch gegenüber, weil sie eben die Dynamik des Webs einbremst bzw. sogar verhindert. Er bevorzugt die Browser-Philosophie von Google, wo keine Apps am TabletPC abgespeichert werden, sondern "klassisch" die Informationen aus dem Web über den Browser geladen werden. Gerade mit HTML5 werden sich hier neue Möglichkeiten für ePaper-Produkte ergeben.
 
Bei aller Kritik darf man nicht vergessen, dass wir uns erst am Beginn einer neuen Erfahrungs- und Lernkurve befinden. Die nächste Generation von eMagazinen wird schon ganz anders aussehen und daran zu arbeiten ist die Herausforderung. Interessant ist das alles derzeit für uns Europäer, wo wir wegen der verzögerten Einführung des iPads und der doch erheblichen kulturellen Unterschiede zwischen den USA und Europa noch keine wirklichen Erfahrungswerte betreffend Benutzerakztanz verfügen.

Posted via email from Notizen aus der MedienFabrik

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