Barnes & Noble: Ein Requiem des Buchhandels

Knalleffekt: Gestern hat sich Barnes & Noble quasi selber zum Verkauf gestellt und das nachdem es so tapfer am neuen eBook-Markt gekämpft hatte. Wir haben die schaurige Botschaft über Buchreport erfahren. Die größte US-Buchhandelskette weiß offensichtlich keine strategische Antwort auf die Herausforderungen des neuen Buch- und Mediengeschäfts. Mit seinen 777 Filialen hat das 1917 gegründete Barnes & Noble 2009 rund US-$ 5,12 Milliarden Umsatz gemacht und dabei lediglich einen Gewinn [Net Profit] von US-$ 76 Millionen erzielt, was einer Umsatzrendite von knapp 1,4 Prozent ergibt [Tendenz: fallend]. Im Vergleich dazu hat  das 1994 gegründete Amazon 2009 knapp US-$ 25 Milliarden an Umsatz erzielt und damit US-$ 902 Millionen Gewinn [Net Profit] erzielt. Das entspricht einer Umsatzrendite von 3,6% [Tendenz: eher steigend]. Der Unterschied in der Profitabilität erklärt sich sicher auch teilweise dadurch, dass der Barnes & Noble fast doppelt so viele Mitarbeiter beschäftigt wie Amazon. Die Mitarbeiterproduktion ist bei Amazon rund 8 mal so hoch wie die bei Barnes & Noble. Während rund 40.000 Mitarbeiter bei Barnes & Noble in den USA und Nachbarschaft etwas mehr als 5 Milliarden Umsatz machten, schafften rund 24.000 Mitarbeiter von Amazon eben US-$ 25 Milliarden auf globaler Ebene.

 

Ist der Erfolg von Amazon ungerecht, unfair oder unverdient? Nein, hinter dieser Erfolgsgeschichte von Amazon liegen ein langer, steiniger Weg und enorm hohe Investitionen.  Bis 2002 schrieb Amazon Verluste und erst 2009 überstiegen die seit 2003 kumulierten Gewinne des Unternehmens die davor angehäuften Verluste. Amazon hat sich seine Spitzenposition im Bereich eCommerce teuer erkauft und trotzdem ist sie nicht abgesichert. Seit Jahren hat Amazon das Terrain für eBooks aufgebaut und massiv investiert. Letztes Jahr war dem eBook Reader Kindle endlich der Durchbruch gelungen und er entwickelte sich zum umsatzstärksten Produkt des Weihnachtsgeschäftes 2009. Kaum hatte sich Amazon als Marktführer in diesem neuen Markt positioniert sieht es sich schon durch Apple mit iPad und iBookStore und durch Google mit seiner [soon-to-be-opened] eBook-Shop Google Edition konfrontiert. Das wird sicher kein Heimspiel für Amazon werden. Zu viel passiert hier noch in dieser chaotischen Wettbewerbssuppe des eBook-Marktes. In den USA machen die eBooks geschätzte 10 Prozent des gesamten Buchmarktes aus und wachsen rasant im 3stelligen Prozentbereich weiter. Derzeit verfügt Amazon bei den gekauften eBooks in den USA über einen Marktanteil von 60% und weit dahinter mit knapp 20% ist das „alte“ Barnes & Noble [siehe auch unseren Bericht]. Ob das angesichts der neuen Spieler Apple und Google so bleibt darf bezweifelt werden. Amazon, der Erfinder des Online-Buchhandels und Promotor des eBooks läuft Gefahr Marktanteile an die neuen Mitspieler zu verlieren.

 

Der eBook-Markt steht nicht nur für sich, sondern auch als Gradmesser für Veränderungen in der Gesellschaft. Die zunehmende Akzeptanz der eBooks zeigt, dass wir über die letzten 15 Jahre seit dem Aufkommen des Webs die Virtualität als Teil unseres Lebens akzeptiert haben. Über 500 Jahre haben wir gedruckte Bücher gelesen und das Wissen auf diese Art weitergegeben. Der Wechsel zum elektronischen Papier vollzieht sich für uns beobachtende Zeitgenossen zwar [scheinbar] langsam aber aus einer Meta-Perspektive heraus betrachtet passiert das alles in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Die „kreative Zerstörung“ [Schumpeter] mittels neuer digitaler Technologien vollzieht sich in der Verlags- und Druckbranche mit einer Dynamik, die dazu führt, dass Traditionshäuser wie Barnes & Noble offensichtlich aufgeben. Das Gutenberg-Zeitalter der letzten 500 Jahre wird in nur wenigen Jahren hinweg gefegt. Wie soll es dann erst den kleinen Buchhändlern gehen, die weder über einen Zugang zum Kapitalmarkt noch über die Größenvorteile von Barnes & Noble verfügen?

 

Die Welt verändert sich nach 500 Jahren Papierwissen hyperdynamisch und verliert sich nun noch weiter in die Bits & Bytes. Und damit verschwinden auch große Teile des Buchhandels im Web. Das hat viel Gutes für die Verbreitung des Wissens und bietet auf globaler Ebene betrachtet Möglichkeiten zur Schließung der Informations- und Wissensnachteile der Entwicklungsländer. In den industrialisierten Ländern hingegen wird auf die Buchhändler und Verlage eine schwere Zeit der Verdrängung und Veränderung zukommen. Eine mögliche Gegenstrategie liegt in der Spezialisierung auf ein Publikum, das weiterhin gedruckte Bücher haben will, in der Erweiterung des Portfolios um eBook Hardware & Zubehör, in Service & Beratung und in Events. Kurz, in der bewussten Verankerung in der realen Welt. Jeder Versuch mit dem Web, mit Amazon, Apple, Google & Co beim Verkauf von eBooks in Konkurrenz zu treten muss gnadenlos scheitern. Die bewusste Positionierung in der realen Welt als Gegenstück zu Facebook, Twitter und Amazon scheint mir die einzige Perspektive über die nächsten Jahre.

 

Ob man davon leben kann? Keine Ahnung aber auch Amazon plagen die Probleme des Hyperwettbewerbs!

Posted via email from Notizen aus der MedienFabrik

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