eBooks: Geschichten aus Amerika [#FollowReader]

Wer wissen will wohin sich der eBook-Markt [und damit die gesamte Wissens- und Informationsgesellschaft] entwickelt muss trotz aller kulturellen Unterschiede in die USA blicken und dort die Marktentwicklung beobachten. Wie immer, wenn es um Technologie und Informationsgüter geht ist die USA halt ein paar Jahre voraus. Entwicklungen kommen dann mit 12 bis 24 Monaten Verzögerung und in unsere kulturelle Umgebung transformiert zu uns auf den europäischen Kontinent. Das war mit den Computern so, in der Musikindustrie mit Apple’s iTunes, iPods und iPhones und das wird auch jetzt bei den eBooks so sein.

 

Während der eBook-Markt in den USA förmlich explodiert, dümpelt er in Europa und speziell im deutschsprachigen Raum noch vor sich hin. Das hat weniger mit der Technologie der eBook-Reader zu tun, wie mancherorts argumentiert wird, sondern viel mehr mit fehlenden Inhalten. Das wiederum ist das Resultat des zögerlichen und visionsbefreiten Verhaltens der Verlage hierzulande. Diese haben die Entwicklungen schlicht verschlafen und unterschätzt. Als nach langem aber kontinuierlichem Anlauf der eBook-Markt mit dem Erscheinen von Amazon’s Kindle 2009 endlich abzuheben begann waren die meisten US-amerikanischen Verlage schon bereit dazu. Amazon hatte gemeinsam mit Barnes & Noble und Pionierverlagen wie der Mediengruppe O’Reilly seit 2005 den Boden aufbereitet. Daher verfügt alleine Amazon über knapp 630.000 eBooks in seinem Portfolio [leider sind davon lediglich knapp mehr als 3.000 (also lediglich 0,5%) deutschsprachig]. Und daher gibt es neue Geschäftsmodelle für „alte“ Verlage wie den Safari eBook-Verleih von O’Reilly. Und letztlich wurde damit ein Klima für StartUps wie z.B. Smashwords geschaffen, die den Markt nochmals beschleunigt und mit neuen Ideen und Ansätzen bereichert haben. Damit entwickelt sich der Markt aus der Lern- und Einführungs- jetzt allmählich in die Wachstumsphase. Bei uns fehlt vor allem das positive Klima für eBooks. Die allgemeine Technologiephobie in unseren Kulturkreisen kombiniert sich mit dem innovationsfeindlichen Beharrungsvermögen zu einem lethargischen Marktumfeld. Während beispielsweise XML in den USA längst dir technisch-organisatorische Grundlage für neue Geschäftsmodelle und WorkFlow ist wird bei den klein- und mittelständischen Verlagen noch immer sehr Verhalten damit gearbeitet.

 

Aber noch ist nichts zu spät. Wir können den späten Markteinstieg zu unserem Vorteil nutzen und insofern davon profitieren als wir hier in Europa die Lern- und Einführungsphase durch intensives Hinsehen auf den US-Markt und intelligentes Abkupfern der funktionierenden Modelle verkürzen. Dann können wir die zeitliche Verzögerung nach dem Modell „Japan“ zumindest mit reduzierten Forschungs- und Entwicklungskosten/zeiten kompensieren.

 

Ein Fall zum Hinsehen ist z.B. die derzeit laufende Studie „Consumer attitudes Toward E-Book Reading" von der Book Industry Study Group über welche sich ein intensive und hoch interessante Diskussion über Twitter [Hashtag #FollowReader] entwickelt hat. Wie hier rund um die laufende und offen durchgeführte Studie real-time diskutiert wird ist alleine schon ein beeindruckender Beweis für die Lernfähigkeit und Neugier der US-Amerikaner, die uns zögerlichen Europäern leider zu oft abgeht. Hier nun einige für uns interessante Ergebnisse der Studie, die Details bitte an der Quelle bzw. bei O’Reilly’s TOC nachlesen:

 

  • Der Markanteil von eBooks steigt bei den Trade Books von 2,8% für 2009 auf 8,3% im laufenden Jahr und wächst weiterhin mit 3stelligen Wachstumsraten.
  • An der Spitze der eBook-Lesegeräte liegt noch immer der Amazon Kindle mit einem Anteil von rund 40% (er wird auch bei uns kommen)
  • Für die intensiven Leser ist der iPad kein geeigneter Ersatz als Lesegerät, von dieser Zielgruppe werden die spezialisierten Lesegeräte wie Amazon Kindle den Multimedia-Geräten wie iPad vorgezogen.
  • Am populärsten ist Fiction mit 75% gefolgt von den HowTo Führern mit 17% (rückläufig!)
  • Bezogen werden die meisten eBooks über Amazon (61%) und den bei uns kaum bekannten Barnes & Noble (20%). Dahinter kommen viele kleine Anbieter mit einstelligen Prozentsätzen Marktanteil.
  • Primäre Quelle für interessante eBook-Titel sind die klassischen Buchhändler (man geht rein uns sieht sich um, kauft aber online) gefolgt von den Social Media Plattformen wie Twitter und Facebook.

 

Wir sollten aufhören, die Entwicklungen Richtung eBook als negative Entwicklung zu empfinden. Vielmehr sollten wir die eBooks als Chance begreifen, den Buchmarkt auszuweiten und neue Lesergruppen anzusprechen bzw. aus Nicht- und Weniglesern neue Vielleser zu entwickeln. Das haben die US-Amis längst erkannt und werden daher den Markt bis in alle Ewigkeit dominieren, wenn wir nicht die Perspektive verändern. Amazon Kindle, Apple iBooks sind keine Bedrohungen, sondern Chancen für die Entwicklung neuer Marktpotenziale.

 

Es sollte damit begonnen werden, neue Ansätze und Geschäftsmodelle zu entwickeln und zu fördern. Initiativen wie Autorenportale nach dem Vorbild von Suite101 oder neue format- und anbieterübergreifende Distributionsplattformen nach dem Vorbild von Smashwords werden dringend benötigt. Neue Verlagsunternehmen wie EPIDU oder Leserplattformen wie lovelybooks geben Anlass zur Hoffnung, sind aber zu wenig.

 

Und weil wir leben wollen worüber wir schreiben werden wir uns dem Vorbild von #FollowReader anschließen und versuchen, eine ähnliche real-time Diskussionsrunde zu über Twitter zu organisieren, davon später mehr ….

Posted via email from Notizen aus der MedienFabrik

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