MetaDaten, Informationsverbreitung und Social Media Marketing [#NeuesLesen]

Wir betreiben für uns und unsere Kunden [darunter auch Verlage und Autoren] bereits seit 2007 eine Reihe von Blogs, die wir jeweils mit Twitter, Facebook und einer Reihe von sonstigen Social Media Plattformen und Bookmarking Sites verknüpft und über URL Shortening mit Autoposting-Funktionen ausgestattet haben. Das bedeutet, dass ein Blog-Artikel unmittelbar nach seiner Publikation die Reise durch das Web antritt und seine Reise mit Hilfe der über die URL Shortener erhältlichen Auswertung real-time verfolgt werden kann. Natürlich haben wir die Blogs in unsere Google Statistikumgebung eingebunden und verfolgen systematisch deren Entwicklung [letztlich wollen wir ja wissen was wie ankommt oder nicht]. Hinzufügen möchten wir, dass viele Blogbeiträge die Beschreibung von Büchern und Produkten zum Inhalt hatten, also ein Teil einer Marketingkampagne waren und auch entsprechend mit Facebook Werbung und Google Adwords beworben wurden. Soweit die Ausgangsposition.

 

Wir wollten jetzt wissen, wie sich die Informationsverbreitung innerhalb des Webs bzw. des Social Media Universums für uns tatsächlich darstellt. Daher haben wir uns in den letzten Tagen die Mühe gemacht, rund 600 Blogbeiträge, die in den letzten 18 Monaten verfasst wurden, statistisch auszuwerten und haben unsere Überraschung erlebt.

 

Wir leben mit Twitter und Facebook in einer real-time Welt, d.h. dass wir Postings bzw. Updates unserer Freunde und Followers sofort sehen und reagieren können. Vor unseren Augen fließen die vielen Updates über den Bildschirm und verlieren ihre Aktualität sobald sie am unteren Rand des Bildschirms verschwinden. Eine schnelle Instant- und Fastfood-Welt in der wir leben. Insofern haben wir angenommen, dass die Zugriffe auf  Blogbeiträge sich ähnlich verhalten würden: die meisten Zugriffe zu Beginn und danach abflachend. So ist es aber nicht.

 

Über [fast] alle Artikel unserer Analyse konnten wir das Phänomen feststellen, dass lediglich 20% der statistisch erfassten Zugriffe auf den Blogbeitrag in den ersten 10 Tagen nach Einstellung erfolgten. Das galt grundsätzlich auch für jene Artikel, wo wir begleitend Werbung geschalten hatten wobei sich hier der Anteil der Zugriffe in den ersten 10 Tagen um die 30% einpendelte. Die restlichen 70% bzw. 80% der Zugriffe bzw. Leser sind in der Folge erst über die Monate nach ihrer Veröffentlichung hinzugekommen wobei hier fast ein linearer Zuwachs beobachtet werden kann. Ähnliches gilt auch für Bücher, die wir mittels Blogbeiträgen beworben haben. Die wenigsten Kauftransaktionen finden unmittelbar nach Aussendung des Beitrages statt, sondern eher langsam. Der Höhepunkt der Zugriffe und Käufe liegt irgendwo zwischen 8-12 Wochen nach Erscheinen des Artikels. Wir stellen die Bücher, die wir für unsere Verlags- und Autorenkunden verkaufen auch auf die Online-Bibliothek issuu ein und konnten dort ein fast identisches Lese- und Zugriffsverhalten ausmachen. Die meisten Leser hatten wir regelmäßig nach 8 Wochen wobei sich dann zwar der Zuwachs abflachte aber meist auf relativ hohem Niveau verblieb.

 

Eine erste Interpretation: nur ein Bruchteil der Leser und Zugriffe kommt in real-time [Echtzeit] direkt von Twitter und Facebook, denn dort verschwindet der Beitrag ja nach wenigen Sekunden wieder. Die Leser müssen also über Suchmaschinen bzw. über die Verlinkung mit anderen Blogs und Artikeln kommen. Nicht zuletzt verlinken wir unsere Artikel untereinander, was wohl den kaskadenartigen Netzwerkeffekt unterstützt. Die Blogbeiträge werden über deren MetaDaten gefunden, sie sich in zwei Kategorien einteilen lassen. Da wären zunächst die Meta-Stammdaten wie Titel, Beschlagwortung [tags], Kategorisierung und Links [als Unique Resource Identifier URI]. Hinzu kommen auch noch die Meta-Bewegungsdaten, die durch die Verkürzung der Links über die URL Shortening Services wie bit.ly hinzugefügt werden. Die MetaDaten sind DNA und Lebensnerv der Beiträge. Das war uns schon klar [siehe unsere Beiträge über MetaDaten und URL Shortening] aber trotzdem ist das Ergebnis unserer Auswertung überraschend. Die MetaDaten sorgen offensichtlich für den viralen Effekt indem sie sich mit MetaDaten anderer Artikel und Beiträge verknüpfen und so eine Spur zu unserem Beitrag legen bzw. diesen in einen Informationsteppich einknüpfen. Der oft zitierte Netzwerkeffekt eben.

 

Wir stellen uns angesichts dieser Ergebnisse die Frage ob das Social Media Marketing wie z.B. über Facebook Werbung daher nicht völlig überschätzt wird? Es scheint sich der viel beschriebene Virale Effekt auf eine Art natürliche Weise aufzubauen und dürfte auch über bezahlte Werbung zu Beginn der Informationsaussendung nicht zu beschleunigen sein. Es bedeutet jedenfalls auch, dass Autoren und Verlage bei der Vermarktung ihrer Bücher keine kurzfristige Perspektive einnehmen dürfen, sondern sich die Zeit geben müssen, um ihren Blogs aufzubauen. Jede Schlussfolgerung, die nach wenigen Wochen und Monaten gemacht wird ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch. Die Welt da draußen ist – real-time hin oder her – noch immer nicht so schnell wie wir angesichts der über den Bildschirm fließenden Updates verführt sind zu glauben. Praktisches Fazit: über einen Blogbeitrag des öfteren Updates und Tweets versenden.

 

Wir analysieren und brainstormen natürlich noch weiter über die für uns überraschende Erkenntnis und scheinbare Dichotomie: hier das real-time Web mit dem Fastfood-artigen Informationskonsums und dort der langfristige Lebenszyklus bzw. die langsame Proliferation der Artikel durch das Web. Jeder Diskussionsbeitrag sowie eure Erfahrungswerte werden begrüßt.

Posted via email from Notizen aus der MedienFabrik

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