MexxBooks - Ideen für neue Bücher [Teil 2: Die 5 Hypothesen über das neue Wissen]

Nach Teil 1 mit den einführenden Bemerkungen über die technologischen, demografischen und marktrelevanten Rahmenbedingungen über die neuen Medien wie Tablets und eBook Reader setzen wir heute mit den 5 Hypothesen über das "neue" Wissen fort. Das soll die Grundlage sein für den nächsten Schritt - die Entwicklung von Ideen über neue Buch- und wissensformate. 

Hypothese 1: Neues Wissen ist im Web

Das schriftliche Wissen über Orte, Themen und Personen finden wir heute im Netz wo es kollaborativ und interaktiv erarbeitet wird. Ein typisches Beispiel dafür ist Wikipedia. Es gibt so gut wie kein Thema von Relevanz, das nicht auf Wikipedia von den mehr als einer Million Autoren behandelt wird. Ob das geografische, kulturelle, politische und soziale Themen sind – alles, was für mehr als ein Dutzend Menschen interessant ist, findet sich in schön strukturierter Form auf Wikipedia und wird regelmäßig aktualisiert. Darüber hinaus finden sich in der Blogosphäre und in Online Bibliotheken [z.B. Google Books] weitere Informationen zu allen möglichen und unmöglichen Themen. Geschriebenes Wissen und schriftliche Wissensvermittlung ist vom bedruckten Papier in die Elektronik gewandert. Das neue Wissen ist weitgehend Redundanzfrei, was es angenehm von den Bücherwissen unterscheidet. Ein Fachbuch enthält im Regelfall im Ausmaß von 80 bis 90 Prozent die Wiederholung und Aufzählung von bereits vorhandenem Wissen, das der Autor dann in den restlichen 10 bis 20 Prozent mit seinem Wissen bzw. seiner Meinung anreichert. Pointiert formuliert könnten wir festhalten, dass 80% aller heute noch gedruckten Buchseiten höchst unnotwendige Verschwendung der knappen natürlichen Ressourcen sind. 

Hypothese 2: Real-time ist Web

Die neuen real-time Technologien rund um Twitter haben uns eine neue Möglichkeit der Wissens- und Informationsvermittlung aufgezeigt: das Anzapfen des latent vorhandenen Wissens in den Köpfen der Menschen über Tweets, Updates und Postings anzapfen. Über die so genannte real-time Suche können wir mittels Fragen, die wir – versehen mit Tags – mittels Tweets und Postings an das Netzwerk stellen, Antworten erhalten. Das Potenzial der real-time Wissensvermittlung von Person-zu-Person [Person-to-Person – PtP] reicht von fachlichen Fragen über persönliche Meinungen bis hin zu aktuellen Wetter- und Verkehrsinformationen. Mit dieser Form der Wissensvermittlung werden wir weit über das Niveau des Gutenberg’schen Zeitalters hinausgehen und ernsthaft damit beginnen können, eine Wissensgesellschaft aufzubauen.

Hypothese 3: Die Weisheit ist im Web

Die wahren Experten sind die vielen Laien. Ein kollektiv durch viele Menschen gefundenes Urteil bzw. eine Bewertung ist besser als Expertenmeinungen. Das gilt insbesondere für Urteile und Bewertungen, die nach weichen Faktoren und Meinungen getroffen werden, wo also individuelle Einstellungen und Werte einfließen. Als Beispiele können wir hier Buchempfehlungen und Rezensionen, Restaurant- und Hotelbewertungen und ähnliche Themen anführen. Hier ist die Meinung von uns persönlich unbekannten Experten weniger wert als die Bewertung von Freunden, mit den wir Werte und Meinungen teilen. Hier wird in den vor uns liegenden Jahren das Prinzip des „Folgens“ „tweet it“ und „gefällt mir“ noch viel effizienter funktionieren als das heute der Fall ist. Heute befinden wir uns diesbezüglich erst in einer kollektiven Lernphase des virtuellen Sozialisierens. Zum Thema der Weisheit der Vielen siehe auch Wikipedia oder das Buch von James Surowietzki.

Hypothese 4: Narrative Wissensvermittlung

Die Wissensaufnahme über Bücher als individueller [d.h. nicht-sozialer] Lese- und Lernvorgang ist entgegen der Meinung vieler Buchtraditionalisten kein naturgegebener, unveränderlicher Prozess, sondern ein von den Büchern geschaffener. In der oralen Kultur der „Pre-Gutenberg-Epoche“ [McLuhan nennt sie die Phasen der Oralität und Literalität] wurden Wissen und Geschichten mündlich in narrativer Form weitergegeben. Wissensweitergabe und Sozialisierung waren untrennbar miteinander verbunden. Die neuen sozialen Plattformen mit der real-time Kommunikationsmöglichkeit ist ein Ausbruch aus der Buchkultur und in gewisser Weise eine Rückkehr zur oralen Erzählkultur. Damit sind Facebook, Twitter & Co keine widernatürlichen Phänomene, sondern das Gegenteil. Menschen wollen kommunizieren und kommunizierend lernen und Erfahrung sammeln. Wir empfehlen diesbezüglich die Literatur von Marshall McLuhan.

Hypothese 5: Standards öffnen technische Limitationen

Es gibt im elektronischen Zeitalter [Mc Luhan] eine Vielzahl von Technologien, Applikationsplattformen und Medien, die von uns täglich genutzt werden. Smartphone, Tablets, Netbooks, PC’s und vieles mehr.  In den letzten Jahren haben sich Standards wie XML oder JSON entwickelt, die es ermöglichen, dass wir Texte, Informationen und Wissen mittels geeigneter Meta-Daten über alle Plattformen hinweg austauschen und nutzen können. Content emanzipiert sich zunehmend von der Technologie und dieser Trend wird sich in Zukunft noch verstärken. Technologische Beschränkungen wie z.B. Adobe Flash für den Apple iPad werden sich auflösen und damit das Wissen damit frei machen.

Aus diesen 5 Hypothesen lassen sich nun einige Paradigmen für die Entwicklung neuer Buchformen- und -formate im Sach- und Nachschlagebücher ableiten, die vielleicht wie folgt formuliert werden können:

  • Redundanzfreiheit: als Wissens- und Informationssynapsen enthalten eBooks nur neues Wissen [Meinungen] und verweisen mittels Hyperlinks auf vorhandene Wissensbasis und Referenzen.
  • Kürze: Kürzere Bücher durch Redundanzfreiheit [zwischen 10.000 bis 30.000 Wörter oder 30 bis 90 Seiten]. Ein praktisches Beispiel dafür ist die Kindle Single Initiative von Amazon.
  • Nahtlos: der Übergang von Web zu eBook muss sich einfach und unkompliziert gestalten
  • Wiederverwendbarkeit [ReUsability und Chunkability]: in Verbindung mit der Redundanzfreiheit, Kürze und Nahtlosigkeit steht das Paradigma der Wiederverwendbarkeit. Form, Format und Formatierung müssen eine einfache wie effiziente Wiederverwendbarkeit des Contents in anderen Formaten zulassen.
  • Sozial: durch  Hyperlinks sind die eBooks ständig mit dem Web und dem persönlichen Netzwerk verbunden. Lesen und Wissensaufnahme passieren als sozialer Prozess

 

 

 

 

Auf Grundlage der oben formulierten Hypothesen und der darauf basierenden Paradigmen können wir in der Folge versuchen, Ideen für neue Buchformate zu entwickeln. Damit beginnen wir im nächsten Beitrag.

Siehe auch:

Teil 1: Einführung in das Thema MexxBooks

 

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