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Wie sich Zeiten und Gewohnheiten verändern sieht man am Besten an den Medien, die einem umgeben. Waren es vor nicht einmal zwei Jahrzehnten ausschließlich gedruckte Zeitungen bzw. Magazine und professionelle Redakteure bzw. Journalisten, von denen wir Informationen und Meinungen erfuhren, so sind die Quellen heute immer mehr die Freunde und Bekannte aus dem Facebook-, Twitter- und Email-Netzwerk. Es ist die Welt des Sozialen Webs und niemand sollte das besser Wissen als Facebook, das wesentlich zum Sozialen Web beitragen haben. Das Geschäftsmodell von Facebook basiert nachgeradezu auf Person-to-Person Communication und intermediert damit das traditionelle Medienmodell wo die Verleger als Informations- und Meinungsvermittler aufgetreten sind.

Mark Zuckerberg, Gründer von Facebook, und seine Managementkollegen sollten also wissen, dass die persönliche Glaubwürdigkeit und die Transparenz von Handlungen und Kommunikation oberstes Gebot in dieser neuen Welt sind. Und dann passiert ihnen diese verflixte Goldman Sachs Transaktion. Klar, es ist schon eine tolle Leistung für einen Unternehmer, wenn er es schafft, ein Unternehmen binnen weniger als 5 Jahre von Null auf einen Wert von rund US-$ 50 Milliarden zu entwickeln. Das war jener Wert zu dem Goldman Sachs vor wenigen Tagen eine Kapitalerhöhung von Facebook gezeichnet hat. Zunächst war verhaltener verbaler Applaus aus den Medien zu hören aber seit ein paar Stunden hat sich der Wind einigermaßen gedreht und bläst Facebook wie Mark Zuckerberg ins Gesicht. Von der Huffington Post über TechCrunch bis hin zu Open Intelligence wurde eine hitzige und sehr kritische Debatte über das Verhalten von Facebook und Goldman Sachs. Was ist passiert?

Nun, da ist zunächst einmal der Umstand, dass das „gute“ Facebook sich an die „schlechte“ Goldman Sachs verkauft hat. Das war jene Bank, die heute noch mit der letzten, noch nicht wirklich überwundenen, Finanz- und Wirtschaftskrise verbunden wird. Goldman Sachs soll vorsätzlich und im Wissen um den potenziellen Schaden über Special Purpose Vehicles (SPVs) forderungsbesicherte Wertpapiere (Asset Backed Securities) geschaffen und verkauft haben. Das Problem war, dass die mit zumeist faulen Hypothekarkrediten besicherten Wertpapiere letztlich nichts wert waren, Milliardenschaden, Bankeninsolvenzen und Rezession verursacht haben als sie 2008 platzten. Wie weit Goldman tatsächlich in irgendwelchen Machenschaften verwickelt war, das werden wir nie erfahren, weil sich Goldmann erst im Sommer 2010 mit hunderten Millionen US-Dollars von einer Anklage wegen Betrugs freigekauft hat. Im Zweifel für den Angeklagten sagt man, also tragen wir das den Goldmännern nicht länger nach.

Jetzt bauen dieselben Goldmänner rund um Facebook eine sehr fragwürdige Investitions- und Finanzierungskonstruktion. Mit Hilfe eines Special Purpose Vehicles (SPVs) haben sie die von ihnen in Facebook geführten Investoren in einer Gesellschaft zusammengefasst und versucht, daraus einen einzelnen Investor zu machen. Zumindest hat das nach den ersten Pressemeldungen so ausgesehen. Damit sollte vielleicht vermieden werden, so die Spekulationen, dass Facebook zu viele Investoren hat. Es gibt nämlich eine Vorschrift der US-amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörde SEC, dass jedes Unternehmen, das mehr als 500 Investoren hat seine Finanzen offenlegen muss. Kaum hatten die ersten Kritiker in der Goldman Sachs Konstruktion eine Umgehung der geltenden börsenrechtlichen Vorschriften gewittert, beeilte sich Facebook mitzuteilen, dass man jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Frist die Finanzen offenlegen und natürlich die SEC-Regeln beachten werde. Das war leider eine ex-post-Meldung hatte sofort den Geruch einer nicht ehrlich gemeinten Schadensbegrenzung.

Die diversen Analysten in der Blogosphäre hatten auch rasch vermutet, dass mit dieser SPV-Konstruktion Goldman Sachs und deren Kunden das große Geld mit einem Börsengang machen sollten. Da Facebook noch keine Finanzdaten veröffentlicht hatte weiß die breite Öffentlichkeit nichts über mögliche Bewertungen der Aktien in der Zukunft. Sollten die Gerüchte stimmen, dass Facebook 2012 einen Gewinn von bis zu US-$ 2 Milliarden erzielen könnte, dann würde die Aktie wohl die gegenwärtige Bewertung von US-$ 50 Milliarden mehrfach übertreffen und in den Himmel gehen. Das würde den gegenwärtigen Aktionären [zu denen auch Goldman Sachs und seine Kunden gehören] großartige Gewinne bescheren. Der gesamte Ablauf in der Finanzierung des zur Zeit wohl interessantesten Unternehmens war wohl an Intransparenz und Misskommunikation nicht mehr zu überbieten.

Einzelne Kommentare erinnerten an Google, das 2004 in einem völlig transparenten Prozess seine Aktien im Rahmen einer offenen Auktion an die Aktionäre verkaufte. Google war damals der bis dahin größte Börsengang eines Webunternehmens also das was Facebook möglicherweise heute ist. Genau betrachtet gab es aber auch rund um den damals viel beachteten IPO von Google viel Kritik aber diese wurde offensichtlich vergessen.

Was aber angesichts der aktuellen Transaktion jedenfalls gezeigt wird ist, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise und vielmehr die Vertrauenskrise rund um die Banken noch länger nicht verdaut sein wird. Goldman Sacks, wie der Wall Street Primus vereinzelt auch genannt wird, spürt dies nun eben in der aktuellen Diskussion. Diese demokratische Diskussion lässt sich auch nicht durch noch so viele Werbemillionen an Verleger beeinflussen oder steuern. Das wird eine neue Erfahrung für Goldman sein. Ansonsten halten wir's mit Shakespeare: much a do about nothing!

 

Posted via email from Notizen aus der MedienFabrik

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